Die Geste hat mit dem Körper zu tun und mit dem, was er übermittelt. Im Spanischen beziehen wir uns manchmal darauf, wenn wir sagen, dass eine Person „eine gute Geste hat“. Die Handlungen und Einstellungen einer solchen Person zeigen ein breites Spektrum, sie handelt großzügig, sie ist eine Person, die sich anderen Menschen gegenüber rücksichtsvoll verhält. Hat eine Person „eine gute Geste“, dann spiegelt sich das auch in ihrer Körperhaltung wider, in der Art, wie sie tatsächlich gestisch kommuniziert.
Wir können körperliche Gesten nach dem Kontext, in dem sie stehen, und nach und ihrer Bedeutung klassifizieren: soziale Gesten (eine Umarmung, mit dem Kopf nicken, Daumen hoch); rituelle Gesten, die als Handlungen innerhalb von religiösen Riten einen bestimmten Zweck haben (gefaltete Hände, die Knie beugen, segnende Hände) sowie emotionale und persönliche Gesten, die z. B. Angst, Wut , Liebe, Hoffnung ausdrücken. Ihre Ausführung hängt von kulturellen, psychologischen, erblichen Faktoren ab.
Künstler entwickeln Gesten „tiefer“. Funktionale, konzeptionelle oder ästhetische Gesten werden aus einer künstlerischen Intention heraus geschaffen. Diese Gesten können alltäglichen Aktivitäten entnommen werden, um ihnen eine andere Bedeutung zu geben. Die Botschaft, die wir Künstler mit unserer Konzeption der Gesten übermitteln wollen, ist keine „wörtliche“, denn in und mit der zeitgenössischen Kunst schlagen wir den Betrachtern eine Botschaft vor. Diese kann wie ein Schlüssel eine Tür öffnen, aber das vollständige, fertige verarbeitete oder in sich abgeschlossene Material und seine Deutung werden nicht gegeben. Mit anderen Worten, hinter der Tür können mehrere Interpretationen entstehen.
Die Öffentlichkeit ist aktiv und muss an der Konstruktion der Bedeutung des Werkes und der Botschaft „teilnehmen“. In diesem Sinne denken wir Künstler, dass das Werk ohne Öffentlichkeit nicht vollständig existiert. Ein echter Abschluss würde fehlen. Mit jeder Performance oder Aufführung ändert sich also das künstlerische Stück, weil die Umgebung und das Publikum unterschiedlich sind. Die Arbeit erwacht jedes Mal neu zum Leben, wenn sie angesehen wird – und es gibt aktive, lebende Empfänger, die sie fertigstellen.
Tanzgesten sind kleine Momente der Tanzarbeit, die an das erinnern, was typisch für den Menschen ist: menschliche Kommunikation mit einem vorverbalen Sinn. Die Geste besteht aus: den Händen, dem Gesicht, dem Aussehen, der Haltung, der Absicht der Handlung. Können Sie sich vorstellen, wie wir kommunizieren würden, wenn wir kein phono-auditorisches System hätten? Ja, natürlich. Sprache existiert, bevor wir Worte von uns geben und bevor wir lernen, Klangbotschaften zu imitieren und zu wiederholen. Gesten bestehen aus allem, was vor dem verbalen Ausdruck steht.
Können Sie die Absichten der Menschen lesen, bevor sie mit Ihnen sprechen? Erkennen Sie deren Handlungsabsicht? Wie kommt eine Person auf Sie zu, wenn Sie diese um etwas bittet oder wenn Sie sie warnen möchte? Wann und wie bittet jemand um einen Tanz, einen Tango? Es gibt viele Möglichkeiten, mit Gesten zu kommunizieren, und wir können „zwischen den Zeilen“ dieser Botschaften lesen. Wir können die Aufzeichnungen des Visuellen erweitern, die zeigen, wie wir unter Verwendung von Gesten miteinander kommunizieren.
Im Tanz sprechen wir von „Bühnenpräsenz“, um die Haltung oder Absicht des Tänzers zu kennzeichnen. Wir lassen uns von Ideen, Emotionen, Konzepten, Geschichten leiten, die uns bewegen und tanzen lassen. In der Pantomime werden die Gesten von Emotionen und Ideen in übertriebener Weise verwendet. Wir sagen, dass diese Gesten grotesk sind, weil Pantomimen die Geste „buchstäblich“ zeigen müssen, damit verstanden wird, dass es sich um diese bestimmte Emotion oder Idee handelt und nicht um eine andere. In der Pantomime muss einer bestimmten Geschichte oder Erzähllinie gefolgt werden, hier gibt es keine offene Botschaft. Es gibt jedoch so viele Grade, Schattierungen und Phasen der Traurigkeit wie der Freude oder jeder Emotion oder Idee oder Vorstellung, die wir erschaffen können. Im Tanz können wir diese Farbschattierungen, die Wege zu subjektiven Interpretationen öffnen und vielfältige und originelle Welten erschaffen.
Alles, was wir tun, hat einen Kontext, eine Zeit, einen Raum, der dem, was wir zeigen wollen, einen Rahmen und eine Identität verleiht. Das heißt, die Geste existiert nicht allein. Eine Geste ist Teil der „Grammatik“ der Tanzsprache. Eine Geste ist wie „ein Wort“ in einer Geschichte. Später wird dann eine Choreografie mit kombinierten Gesten und Bewegungen erstellt, die ihr Form geben, eine Musik wird bestimmt, sie wird in einem Raum entwickelt.
Wie spricht eine Geste? Sie ruft körperliche Empfindungen hervor, zeigt Situationen, legt einen körperlichen und/oder emotionalen Zustand nahe, generiert Ideen, erzählt Geschichten, die diejenigen von uns, die es beobachten, enträtseln werden.
Libertad Esmeralda Iocco