Im Rahmen unserer Foto-Challenge „Botschaften der Engel“ erkunden auch wir vom Fraktalwerk Projektraum Chemnitz und seine Engel, auch von Berlin aus. Heute ein Werk im öffentlichen Raum von Silke Rehberg, Standort: Chemnitz, Bahnhofstraße.
1997 ist der bronzene Engel in Chemnitz angekommen – und bis heute geblieben. Auf ihrer Säule aus Stahl steht sie und blickt aus luftiger Höhe von achteinhalb Metern in die Stadt, Rücken und Flügel dem Busbahnhof zugewendet. Gerade aufgerichtet steht sie mit leicht gebeugtem Kopf da, ihr Standbein ruht mit dem nackten Fuß auf dem Kopf der Säule, ihr Spielbein schwebt mit leicht abgesenktem Fuß. Ihr rechter Arm ist waagerecht nach vorn getreckt und der Zeigefinger in Richtung des Bürgerzentrums, als wolle sie den Weg weisen, hinein in die Stadt Chemnitz. Jederzeit könnte sie sich mit einem Flügelschwung in die Lüfte erheben und davonfliegen, ruhen ihre Flügel doch keineswegs zusammengefaltet auf dem Rücken.
Silke Rehberg hat ihrem Engel noch etwas mitgegeben: „Weggeworfenes“ findet sich auf dem Boden des Platzes vor dem Moritzhof und im Inneren des Gebäudes in Form von Mosaikbildern aus kleinen Keramiksteinen. Bananenschale, das Kerngehäuse eines Apfels, Zigarettenstummel, zerbrochenes Glas, eine Kassette mit ausgeleiertem Band. Übriggebliebenes, das tagtäglich mit Füßen getreten und nicht von der Stadtreinigung entsorgt werden kann, ein stummes Memento Mori.
Unsichtbar sind Engel und Bodenmosaiken für Menschen, die hastig die Stadt durchquert, um irgendwo anzukommen. Wer jedoch unterwegs ist in der Stadt, die Zuhause, vielleicht sogar Heimat sein kann, wird fähig sein, den Blick zu heben und zu senken – wahrzunehmen.
Marlen Wagner