Gebundene Hände entbinden und Bindungen zu Händen finden. Immer wieder zeigen Darstellungen von Händen Verbundenheit: zwischen Menschen aber auch zwischen Menschen und Gott. Gesten solcher Verbundenheit finden sich auf der Schwelle zwischen Schrift und Bild, scheinen eher Schriftbild zu sein als Bildschrift.
Auf jüdischen Friedhöfen finden sich so neben Buchstaben auf Grabsteinen auch Darstellungen von Händen. Hände, Handgesten – etwa die Geste der Segnung – und ihre Darstellungen sind nicht vom Bilderverbot betroffen. Die Geste des Segnens verbindet die Religionen, etwa wenn der aaronitische Segen (בִּרְכַּת כֹּהֲנִים birkat kohanim) in christlichen Gottesdiensten Gebrauch findet.
Die Geste der Segnung wird mehrdeutig, sobald sie aus ihrem Zusammenhang herausgelöst wird. Wenn die Segen spendende Person, die im Namen Gottes handelt, nicht sichtbar ist, dann kann die Bedeutung der Geste ungewiss werden. Aber sie zeigt sich damit doch auch als eine Geste der Verbundenheit unabhängig von einzelnen Religionsgemeinschaften.
Aus der Rückbindung (religio) an Gott so entbunden oder aus ihrer Verwendung auf Grabsteinen kann die Geste sich anderen Bedeutungen öffnen, je nach Blickwinkel der Beobachtenden oder sie Lesenden. Sie kann sich buchstäblich neu mit Dingen und Spuren, Objekten und Gegenständlichem, Zügen und Bewegungen verbinden.